Wenn es um die Schiedsrichter geht, dann sind die Schuldigen schnell gefunden. Wären die Trainer, Spieler und Zuschauer nicht so aggressiv, beleidigend und unsportlich, würden viele Schiedsrichter nicht aufhören, so der allgemeine Tenor. Wie bei allen Narrativen trägt auch diese Aussage einen Funken Wahrheit in sich. Doch es ist eine deutlich verkürzte und vor allem unvollständige Aussage, die häufig und gern von einer bestimmten Gruppe von Menschen getroffen wird.
Verantwortliche in den Verbänden neigen dazu, ihr eigenes Verhalten bei der Bewältigung der Probleme der Schiedsrichter klein zu reden. Gern werden bei den Gründen die aktuelle gesellschaftliche Lage, das schwierige Umfeld oder einfach die besondere Situation am Tag X angeführt. Natürlich immer verbunden mit den Aussagen, dass man als Kreis -, Landes- oder Regionalverband nichts daran ändern könne, aber doch bitte die Politik oder wahlweise die Zivilgesellschaft etwas ändern müsse.
Dass die Verbände und ihre Verantwortlichen, ob nun angestellte Mitarbeiter oder Ehrenamtliche, einen Sport mit mehr als 7 Millionen aktiven Sportlern und circa 24 Millionen Interessierten vertreten und daher Teil dieser Politik und der Zivilgesellschaft sind, wird dabei offenkundig vergessen. Es ist natürlich einfacher, die vorhandenen Probleme auf Dritte abzuschieben, dies befreit davon, dass man selbst Lösungen finden und durchsetzen muss.
Doch wenn nicht nur die Art und Weise wie Spieler, Fans und Trainer mit Schiedsrichter umgehen zu den Gründen gehören, warum immer weniger Menschen Schiedsrichter sein wollen, welche Probleme gibt es eigentlich noch?
Ein ständiges Ärgernis sind zum Beispiel die Entscheidungen zu Auf- und Abstiegen. Anstelle wirklich klarer und transparenter Regelungen, findet sich auf jeder Ebene die irgendwie gleiche Regelung wieder:
„Der zuständige Schiedsrichter Ausschuss entscheidet über den Auf- und Abstiege der Schiedsrichter in seinem Verantwortungsbereich.“
Was auf den ersten Blick unkritisch klingt, ist in Wahrheit das fest verankerte Gesetz, dass nicht die Leistung allein darüber entscheidet, wer aufsteigt. Der Teil der messbaren Leistung ergibt sich im Schiedsrichterwesen aus Beobachtungen, Ergebnissen von Haus- und Einstufungstests. Doch diese Kriterien werden nach Belieben durch persönliche Meinungen außer Kraft gesetzt. Wenn wir dieses Prinzip auf Meisterschaftsentscheidungen anwenden, würde dies so aussehen:
Die Mannschaft A steht zwar am Ende der Saison als Meister der 2. Liga da, ob diese aber wirklich aufsteigen darf, wird von Gremien entschieden, die ihre Entscheidung weder transparent machen müssen noch kann man gegen diese Entscheidung vorgehen. Damit wird der Willkür und dem Machtmissbrauch eine große Bühne bereitet. Dass dies eine Problem ist welches selbst bis in die Bundesliga reicht, haben die Ausführungen von Manual Gräfe wenig überraschend gezeigt.
Ein anderes großes Thema ist die Art und Weise, wie Schiedsrichter Beobachtungen und deren Ergebnisse zustande kommen. Da die Ergebnisse der Beobachtungen einen enormen Einfluss auf die Frage haben, wer grundsätzlich für einen Auf- oder Abstieg in Frage kommt, ergibt sich auch ein riesiges Potential für „versteckte“ Einflussnahmen. Es ist dabei kein wirkliches Geheimnis dass:
„Wenn jemand nicht aufsteigen soll, dann zieht man einfach bei effektiven Laufstil die 0,1 ab. Das reicht für gewöhnlich schon aus, dass der Kandidat aus dem Rennen ist.“
oder ähnliche Aussagen und Handlungen unter Beobachtern nicht unbekannt sind. Das Problem liegt hierbei in der alleinigen Sichtweise der Beobachter, ohne dass der eigentlich bewertete Schiedsrichter einen qualifizierten Einspruch gegen das Ergebnis oder die Ansichten einlegen kann. Das Problem kann nur damit gelöst werden, in dem zum einen die Beobachter besser geschult und zum anderen Beobachtungen zwangsweise aufgezeichnet werden müssen. Durch die Aufzeichnungen ist auch eine inhaltlich qualifizierte Auswertung möglich, bei der Schiedsrichter und Assistenten Reaktionen und Abläufe nach einem Spiel reflektieren können. Die wenigsten Menschen können nämlich genau sagen, wie sie genau sich vor 60 Minuten verhalten haben und wie das wohl in der Außendarstellung gewirkt haben könnte.
Ein dritter großer Block ist die Arbeit der Schiedsrichter Ausschüsse an sich. Per Definition sollen diese:
Auch hier kann jeder erkennen, dass viele Aufgaben und eben auch viele Entscheidungen in die gleichen Hände gelegt worden sind. Dies bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch, dass es eine Instanz bräuchte, die hier gegen entsprechenden Missbrauch vorgehen und diesen unterbinden kann. Doch diese Instanz gibt es heute nicht.
Als ein exemplarisches Beispiel, von denen es sicher viele gibt, möchte wir hier einmal ein Disziplinarverfahren aus einem Fußball Kreis aufführen, bei dem sich schon die Frage stellt, ob der Schiedsrichter-Ausschuss überhaupt der richtige Empfänger ist:
„Ein Schiedsrichter beschwert sich massiv über einen anderen Kollegen im Rahmen seines Facebook-Posts. Hierbei nennt der entsprechende Schiedsrichter auch den Namen des Schiedsrichter Kollegen offensichtlich, sodass jeder Leser aktiv weiß, wer gemeint ist. Ein Mitglied des Schiedsrichter-Ausschusses bittet ihn den Post entsprechend zu löschen. Dieser Bitte kommt der Schiedsrichter auch nach. Bei dem anschließenden Disziplinarverfahren, welches der Schiedsrichter-Ausschuss selbst führt, erhält der Schiedsrichter der den Post veröffentlicht hat eine Sperre von 2,5 Monaten.“
Nur damit sich dieses Ergebnis des Disziplinarverfahrens einordnen lässt. Laut der Rechts- und Verfahrensordnung des Sächsischen Fußballverbandes, §41 Absatz 4: „Für Tätlichkeiten gegen den Gegner, andere am Spiel beteiligte oder anwesende Personen oder Zuschauer beträgt die Sperre mindestens sechs Wochen…“.
„Für Tätlichkeiten gegen den Schiedsrichter und/oder seinen Assistenten beträgt die Sperre mindestens drei Monate….“
Die Disziplinarmaßnahme wird also offensichtlich durch den Schiedsrichter-Ausschuss schlimmer bewertet, als eine Tätlichkeit eines Spielers gegen einen anderen Spieler, Zuschauer oder Mitspieler, aber fast so schlimm wie eine Tätlichkeit gegen einen Schiedsrichter oder seinen Assistenten. Es liegt nun in der Fantasie jedes Lesers sich vorzustellen, was jemand geschrieben haben muss, um dieses Strafmaß zu erfüllen, ohne das offensichtlich ein Straftatbestand vorgelegen hat. Zusätzlich dazu stellt sich ohnehin die Frage, ob Strafen in dieser Höhe nicht ausschließlich von qualifizierten Sportgerichten ausgesprochen werden sollten.
Auch aus rein menschlicher und politischer Sicht ist ein Einspruch gegenüber dem Schiedsrichter-Ausschuss schwierig. Wie weiter oben aufgeführt, sind die gleichen Personen, die über die Disziplinarmaßnahmen entscheiden eben auch die Gleichen, welche über Auf- und Abstiege, sowie die jeweiligen Ansetzungen eines Schiedsrichters entscheiden. Und hier überlegen sich eben viele, ob es den Aufwand wert ist, oder man nicht vielleicht doch einfach den Kreis wechselt, sofern möglich oder letztendlich seine Freizeit entspannter verbringen kann.
Wir könnten jetzt hier viele weitere Beispiele aufführen, doch diese führen immer zu dem gleichen Ergebnis. Schiedsrichter brauchen Unterstützung, gute Qualifikationsangebote, die Möglichkeiten ihr Hobby in angemessener Art und Weise individuell zu gestalten und ein offenes Ohr der Menschen, die für Sie verantwortlich sind. Genau mit diesem Ziel gehen wir als Confederation of Football an die Gestaltung des Umfeldes für die Schiedsrichter, die später für uns aktiv sein werden. Mehr dazu erfahrt hier heute schon auf der Informationsseite für Schiedsrichter.
Du möchtest eigene Ideen, Anmerkungen beziehungsweise Wünsche zur Gestaltung des Schiedsrichter-Wesens einbringen? Dann freuen wir uns über dein Feedback, entweder hier als Kommentar oder gern auch bei Facebook.
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